Zukunft der forstlichen Betreuungsförderung – Gespräch mit Staatssekretär Prof. Dr. Ludwig Theuvsen am 19. Mai 2021
In digitaler Form hatten wir Gelegenheit, mit Herrn Professor Dr. Ludwig Theuvsen, Staatssekretär aus dem Landwirtschaftsministerium (ML), sowie weiteren Vertreterinnen und Vertreter der Fachreferate, über die Auswirkungen, der nunmehr absehbaren Folgen der Neustrukturierung der forstlichen Betreuungsförderung, zu sprechen.
Zum Hintergrund: seit vielen Jahren arbeiten ML und Vertreter der forstlichen Praxis (NLF, LWK, Waldbesitz etc.) an einem Konzept, welches darauf abzielt eine beihilfe-, vergabe- und wettbewerbsrechtskonforme Betreuungsförderung zu ermöglichen. Die zukünftig zur Verfügung stehenden Fördermittel kommen aus den Mittelzuweisungen an Landwirtschaftskammer und Landesforsten, wodurch diese vergünstigte Beratungs- und Betreuungsangebote dem Waldbesitz gegenüber erbringen konnten. Diese Art der indirekten Förderung muss nun umgestellt werden, auf eine direkte Förderung, bei der Waldbesitzende die Fördermittel selbst erhalten. Hierfür können sie auf Basis einer Angebotseinholung auch weiterhin die LWK oder NLF als Betreuungsdienstleister wählen …
Der Staatssekretär machte deutlich, dass es in Niedersachsen niemanden gibt, der von sich aus an der bisherigen Struktur gerüttelt hätte. Offenbar hat sie sich sowohl aus Sicht des Landes als auch des Waldbesitzes bewährt. Aufgrund beihilferechtlicher EU-Normen ist dieses jedoch unumgänglich geworden.
Kommentar zur politischen Dimension:
Die Unumgänglichkeit einer Neustrukturierung müssen wir so zunächst einmal hinnehmen. Auch wenn wir verwundert in Richtung anderer Bundesländer schauen, in dem es dazu offenbar andere Einschätzungen gibt. Aber zur politischen Dimension: in einer Zeit wachsender Europa-Skepsis sollte die Politik nach der Akzeptanz einer EU fragen, deren Rechtsnormen bewährte Strukturen zerschlagen.
Ein geeinigtes Europa ist wichtig für ein friedvolles Miteinander auf unserem Kontinent. Es wird aber nur funktionieren, wenn es lebensdienlich ist!
Deutlich gemacht hat er aber auch, dass es zwar ein politisches Interesse der Landesregierung am Wald und an dessen Bewirtschaftung gibt – die vielen Millionen Euro für Waldumbau und Schadensbewältigung sind der Beleg dafür. Das Land hat aber kein Interesse (und darf dies auch nicht) die privatrechtliche Bindung des Waldbesitzes an die jeweilige Betreuungsorganisation vorzugeben. Hier hat der Waldbesitz Wahlfreiheit.
Kommentar
Das Ministerium hätte bei der Vergabe der Fördermillionen für die Betreuung dennoch die Kompetenz gehabt, steuernd einzugreifen. Nicht WER den Waldbesitz betreut, aber WIE. Höhere Qualität und Quantität der Betreuung hätte man förderrechtlich honorieren können.
Der Staatssekretär erwartet, dass auch nach dem Stichtag ein Großteil der Waldbesitzer weiterhin das Betreuungsangebot von LWK und NLF in Anspruch nehmen werden. Er verweist dabei auf Erfahrungen aus anderen Bereichen, in denen ähnliche Schritte der Liberalisierung gegangen wurden.
Intensität der Forstbetreuung
Wir haben nach den Größenordnungen der künftigen Reviere gefragt: Das ML hätte sich eine maximale Betreuungswaldfläche von 3500 ha für eine/n Förster/in als Zuwendungsvoraussetzung für eine Betreuungsförderung vorstellen können. In der AG haben aber die Vertreter der forstlichen Praxis für eine Obergrenze von 4.500 ha votiert, da bereits jetzt vielerorts die Betreuungsreviere größer sind. Wie bereits jetzt, müssen auch zukünftig der Waldbesitz und die Betreuungsdienstleister vor Ort eine sachgemäße Größenordnung finden, welche natürlich zumeist deutlich geringer als die Obergrenze sein mag. Wir haben auf zwei Dinge hingewiesen:
Ohne Unterstützungspersonal ist in solch großen Revieren eine umfassende Forstbetreuung gerade im Kleinstrukturierten Privatwald nicht mehr möglich.
Die Obergrenze wirkt missverständlich. Die bisherigen Durchschnittsgrößen der Reviere sind der korrekte Maßstab und diese liegen sehr viel niedriger. Gelesen wird aber die Zahl „4.500“, womit „falsche Entwicklungstendenzen“ initiiert werden können. Auf diesem Wege wird es verpasst, über das Steuerungselement „Reviergröße“ zu versuchen, am Ende mehr Forstpersonal in die Fläche zu bekommen. Diese zu befürchtende falsche Signalwirkung hat Professor Dr. Theuvsen sofort erkannt und zugesagt, dass in der Kommunikation die Wichtigkeit der Betreuungsintensität herausgestellt werden soll. Aus Sicht des BDF wird diese letztlich nur über Durchschnittsgrößen der Reviere erfassbar sein.
Verwaltungsaufwand
Eingehend haben wir uns auch mit der Frage des Aufwandes der künftig direkten Förderung der Forstbetreuung befasst. Dass ein Mehraufwand entsteht, ist auch aus Sicht des ML unstreitig. Es sieht sich aber leider zum jetzigen Zeitpunkt nicht in der Lage, diesen ohne bestehende Förderrichtlinie und Festlegung aller Verwaltungsprozesse zu beziffern. Es ist aber erklärtes Ziel, bei der zukünftigen forstlichen Betreuungsförderung Erleichterungen in der Antragsabwicklung zu erreichen. Darüber hinaus soll die Förderung der Forstbetreuung möglichst einfach strukturiert werden. Beispielhaft seien die nur 6 Fördertatbestände, ein neues Antragsprogramm, die Vergabe über Angebotseinholung (statt Ausschreibung) oder das Bestreben, die De-minimis-Grenze auf 100 ha anzuheben, genannt.
Wir haben nochmals unsere Sorge unterstrichen, dass letztlich eine Verringerung der Betreuungsintensität zu erwarten ist. Allein durch den erhöhten Dokumentationsaufwand der erbrachten Leistungen am Ende eines jeden Arbeitstages, bleibt weniger Zeit für produktive Arbeit in der Fläche. Und dies steht allen bisherigen forstpolitischen Forderungen, einschließlich des Waldbeirates, entgegen – und auch den Aussagen des Ministerpräsidenten, der im Herbst 2019 zum Nachdenken über mehr Forstpersonal aufgerufen hat.
Offizialberatung
Ein vom ML noch nicht bezifferbarer Betrag wird den NLF und der LWK für die Offizialberatung zugewiesen. Wie dies organisatorisch abgebildet wird, wo also die Ansprechpartner insbesondere für den nicht vertraglich an FBGen und damit in eine Revierstruktur eingebundene Waldbesitzer zu finden sein werden, ist noch nicht entschieden.
Pilotphase
Bisher hatten wir es so verstanden, dass die am 1.1.2022 beginnende Pilotphase eine grundsätzliche Erprobung des Systems ermöglichen soll – eine Auswertung und Evaluierung zur endgültigen Einführung zum 1.1. des Folgejahres wäre dann schwierig. Hier wurde jedoch sehr klar vom ML gesagt, dass es nicht um eine grundsätzliche Erprobung geht. Die Pilotierung richtet sich vielmehr nur auf technische Abläufe und Verbesserungen beispielsweise in den Abrechnungsverfahren.
Kommentar
Damit ist die enge Abfolge von Pilotphase und Endeinführung erklärt. Aber: was für ein Jammer! Aus NRW wissen wir schon, wie unglücklich das neue System ist – und Niedersachsen nimmt sich noch nicht einmal Zeit für ein Innehalten und Nachdenken über Erfolg oder Misserfolg. Augen zu und durch ist das Handlungsprinzip!
Niedersachsen wird künftig auch das einzige Bundesland sein, in dem zwei öffentlich-rechtliche Forstorganisationen ein konkurrierendes Angebot gegenüber den Waldbesitzenden machen – das bisherige Nebeneinander von LWK und NLF wird ja ineinandergreifen.
Im Verlauf des Gespräches haben wir unser Unverständnis darüber artikuliert, dass in der AG zwar die AfL als potentielle Vertretung forstlicher Dienstleister vertreten war, nicht jedoch eine Vertretung der Beschäftigten. Der Staatssekretär hat zugesagt, dass ML künftig auch von sich aus aktiv das Gespräch mit dem BDF suchen wird. Das ist für uns ausreichend – eine Einbindung in die Arbeitsgruppenarbeit zu einem Zeitpunkt, zu dem „die Messe bereits gesungen ist“, wäre nicht in unserem Sinne.
Qualitätsanforderungen an die Forstbetreuung und Tariftreue
Wie bisher ist eine forstfachliche Qualifikation für, um im alten Sprachgebrauch zu bleiben, den gehobenen oder höheren Forstdienst die Grundvoraussetzung für den Erhalt von Fördermitteln. Das ist gut so!
Wir haben angeregt, eine laufende Fortbildung als Mindeststandard zu ergänzen. Dies ist aus unserer Sicht angesichts steigender gesellschaftlicher Anforderungen an den Wald und immer massiverer Umwälzungen in der Natur unverzichtbar.
ML hat die Frage der Fortbildung zwar angedacht, aber auf Effizienzgründen verworfen: hohe Verwaltungsaufwendungen stehen einem vergleichsweise geringen Erfolg gegenüber. Wichtiger sei die selbstverantwortliche Fortbildung der mit der Betreuung Vor-Ort-beauftragten Akteure. Das allerdings ist aus unserer Sicht sehr schwach. Dabei können wir auf viele andere Branchen verweisen, in denen dies Standard ist. Einen Sachkundenachweis beispielsweise alle drei Jahre durch eine Mindestzahl von Fortbildungstagen zu erbringen, sollte für den Erhalt öffentlicher Leistungen in der Forstbetreuung alternativlos sein.
Tariftreue
Wir haben danach gefragt, ob Tariftreue einer der Kriterien für die Vergabe öffentliche Fördermittel in der Forstbetreuung sein wird. Zunächst wurde von den Fachleuten des ML darauf verwiesen, dass NLF und LWK ja tarifgerechte Arbeitsverhältnisse haben. Da mussten wir das ML auf die Wahlfreiheit des Waldbesitzenden hinweisen: auch Dienstleister erhalten über den Waldbesitzer künftig Zugang zu öffentlichen Fördermitteln.
Sts Theuvsen hat die Bedeutung schnell erkannt und unumwunden zwei Dinge dazu gesagt: 1. – nein, bislang ist diese Frage nicht erörtert worden und 2. – ja, das Thema wird aufgenommen und zur Klärung gebracht!
Soziale Auswirkungen
Wir haben eindringlich darauf hingewiesen, dass soziale Auswirkungen bereits jetzt klar absehbar sind. Die bei den Landesforsten in Planung befindliche Auflösung von Forstämtern wird zuallererst die Beschäftigten in den Forstamtsbüros treffen. Denen fällt angesichts niedriger Verdienste ein Wechsel von Dienst- und Wohnort besonders schwer.
Für die Forstkollegen bedeutet es oftmals ein warten bis November 2022 bis endlich klar ist, wo sie ab dem 1.1.23 ihren künftigen Arbeitsort haben werden. Das ist eine echte Zumutung!
ML zeigte sich hier aber mit Verweis auf Zuständigkeiten unzugänglich: für die Umsetzung seien schließlich NLF oder LWK verantwortlich und damit unsere Ansprechpartner.
Ein dünnes Argument und wir haben unterstrichen, dass sich die Verantwortlichen im ML ihrer sozialen Verantwortung bei der Definition der Rahmenbedingungen in der Forstbetreuung bewusst sein müssen!