Schlusswort des Landesverbandsvorsitzenden zum LVT 2021

Erstellt von Dirk Schäfer, Landesverbandsvorsitzender | | News

Sehr geehrte Abgeordnete des Niedersächsischen Landtages,

sehr geehrte Herren Doods und Prof. Theuvsen,

sehr geehrte Herren Dr. Merker und Harms,

liebe Freunde des niedersächsischen Waldes!

Zunächst einmal bedanke ich mich bei den Vortragenden für die Einblicke in die aktuelle Situation und die Herausforderungen niedersächsischer Forstwirtschaft.

Die letzten 3 Jahre haben uns unmissverständlich gezeigt, dass Wald und Forstwirtschaft durch den Klimawandel schon heute massiv überfordert sind. Es ist nicht die Frage, ob wir an die Grenze unserer Leistungsfähigkeit gekommen sind – diese haben wir längst hinter uns gelassen:

  1. Waldbestände – und nicht nur Fichtenwälder - brechen an zahlreichen Stellen zusammen. Die meisten Baumarten werden von mehr oder weniger heftigen Schäden durch Insekten oder Pilze heimgesucht. Und wir sind uns sicher: dies ist erst der Anfang eines lange wirkenden Transformationsprozesses!
  2. Viele Forstbetriebe sind wirtschaftlich am Ende. Ihr Vermögen wurde von Trockenheit und Borkenkäfer schlicht aufgefressen…
  3. Das Forstpersonal ist ausgebrannt und zahlenmäßig nicht ansatzweise in der Lage, die aktuellen und künftigen Herkulesaufgaben zu bewältigen. Abgestorbene Waldflächen gerade im Privatwald werden schlicht nicht genutzt.
    Auch im Landeswald bleiben große Flächen der Sukzession überlassen und werden damit einer zielgerichteten Waldentwicklung entzogen.

Grundsätzlich scheinen die politisch Verantwortlichen dies erkannt zu haben. Konkrete Maßnahmen wurden zur Wiederaufforstung/Waldumbau über die Forstliche Förderung, zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Forstbetriebe über die Bundeswaldprämie ergriffen. Für die Wiederaufforstung im Landeswald werden vom Land erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt.

Aber eine Initiative für mehr Forstpersonal: Fehlanzeige! Für die Bewältigung einer gigantischen Wiederaufforstungsnotwendigkeit im Angesicht absterbender Wälder gibt es hinsichtlich des Forstpersonals seitens der Politik bis heute nur warme Worte.

Kommen die Botschaften eines Peter Wohlleben, Nichtstun sei besser für den Wald, etwa doch an? Oder sind der Politik andere Dinge einfach wichtiger, beispielsweise die ökologischen Stationen, für die reichlich Finanzen und Personal freigeschaufelt werden.

Dabei stellen wir heute die Weichen für einen Wald, aus dem unsere Kinder und Kindeskinder den gleichen Nutzen haben sollen, den wir hatten.

Ja, wir Forstleute sind enttäuscht, dass klaren Ankündigungen für eine Unterstützung keine Taten folgten:

  • Der Niedersächsische Landtag hat einen Entschließungsantrag beschlossen, in dem u. a. die Einleitung eines Prozesses zum Aufbau von Arbeitsplätzen in der Forstwirtschaft festgehalten ist.
  • Ministerpräsident Stephan Weil hat beim Forum Wald und Klima im Oktober 2019 wohltuende Worte gefunden: „Ich habe den klaren Eindruck, dass wir über den Aufbau von Arbeitsplätzen in der Forstwirtschaft zu reden haben werden“.
  • Der Waldbeirat hat gleichermaßen unterstrichen, dass Geld alleine nicht hilft sondern personell unterfüttert werden muss.

 

Ich spreche hier und jetzt Sie, sehr geehrte Abgeordnete, als Vertreterinnen und Vertreter des Niedersächsischen Landtages und Sie, sehr geehrte Staatssekretäre, als Vertreter der Landesregierung direkt an: Wie sollen wir Forstleute Vertrauen in die Weichenstellungen von Politik und Regierung erhalten, wenn die genannten Ankündigungen noch nicht einmal ein Nachdenken in der Landesregierung anstoßen. Es gibt keinen für uns erkennbaren Prozess, an dessen Ende die Betreuung des Niedersächsischen Waldes in den Händen von mehr Forstleuten liegt.
Vielmehr passiert gerade in der Forstbetreuung das Gegenteil. Es wird Geld und damit Personal aus dem Wald in die Verwaltung verlagert werden. Bereits jetzt sind die Auflösung von 10 Förstereien und 2-3 Forstämtern der Landesforsten absehbar.

Was aber brauchen wir:

  1. Eine von Sachlichkeit geprägte öffentliche Diskussion um den Wald, die sich nicht antreiben lässt von einer mit fachlichen Falschaussagen verbundenen Emotionalität. Schenken Sie den Vertretern der Forstwissenschaft wie auch der Forstpraxis Gehör!
  2. Eine Verstärkung der Klimawandelforschung an der Versuchsanstalt und den forstlichen Hochschulen.
  3. Eine ausgewogene Betrachtung der Waldfunktionen: Angesichts der Diskussion um Artenvielfalt und Naturschutz gerät die Bedeutung des Rohstoffes Holz immer mehr in den Hintergrund. Dabei ist Deutschland Netto-Holzimporteur. Holz kann viele CO2-intensive Baumaterialien wie z. B. Beton ersetzen – aber nicht, wenn wir immer mehr Flächen stilllegen und bei der Waldverjüngung die Leistungsfähigkeit des Waldes beim Holzwachstum außer Acht lassen.
  4. Eine Organisationsstruktur und Personalausstattung, die dafür geeignet ist, vielfältige und artenreiche Waldstrukturen zu erhalten bzw. aufzubauen.
  5. Auch für die Forstbetreuung gilt: Forstwirtschaft lebt von Kontinuität und Flächenkenntnis, die nicht alle 5 Jahre neu aufgebaut werden kann. Wir brauchen mehr Forstleute - nicht in der Antragsabwicklung sondern im Wald. Wir brauchen so viele Forstleute, dass auch Besitzer von kleinen Waldflächen das Angebot einer aktiven, qualitativ hochwertigen Betreuung haben!
  6. Forstbetriebe – privat und öffentlich – werden sich auf absehbare Zeit nicht mehr wie bisher vor allem aus Holzverkaufsgeld finanzieren können. Es braucht die finanzielle Anerkennung der Ökosystemleistungen des Waldes – sei es als CO2 Speicher, Erholungswald oder Lebensraum-Refugium. Waldeigentum ist eben mehr dem Gemeinwohl verpflichtet und dienlich als Immobilienbesitz oder Aktienfonds!

 

Ich bin mit Leidenschaft Forstmann und spreche hier für viele hundert Forstfrauen und –männer die mit der gleichen Leidenschaft für den Wald einstehen. Wir Forstleute bieten dem Land und der Gesellschaft ein tolles Konzept an:

  1. Wir verstehen etwas von Nachhaltigkeit und Langfristigkeit, weil wir tagtäglich die Langfristigkeit von Prozessen in der Waldentwicklung erleben und nicht nur davon lesen oder darüber erzählen.
  2. Wir haben ein in hohem Maß naturverträgliches Konzept der Nutzung natürlicher Ressourcen, vor allem des Holzes. Dies führt in vielen Fällen zu mehr Artenvielfalt, als sie die Natur selbst bieten würde.
  3. Wir verstehen etwas von „wirtschaftlichem Handeln“ – sei es forstwirtschaftlich oder naturschutzfachlich. Das erlebe ich in anderen Bereichen durchaus anders. Die Neigung zu unverhältnismäßig aufwändigen Planungen, ein vielfach thematisiertes Problem unseres Landes, haben wir nicht. Vielmehr sind wir bestrebt, Ziele schnell, unbürokratisch und kostengünstig zu erreichen!
  4. Wir wissen, dass Wald mehr als nur Holz ist. Täglich stehen wir im Kontakt mit Waldbesuchern, mit Verbandsvertretern aus Naturschutz, Sport oder Tourismus und gehen den Weg des Interessenausgleichs.

 

Ihnen, den Vertretern des Landtages und der Landesregierung lege ich dieses ans Herz: Sie können mit uns rechnen und Sie haben eine mit Leidenschaft dem Wald verbundene Forstpartie – hier müssen Sie investieren, wenn Sie für den Wald etwas erreichen wollen!

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Dirk Schäfer, Landesverbandsvorsitzender